Thomas Wegner

Ein Interview mit PDG Thomas Wegner

Thomas Wegner ist seit 1978 Mitglied des Lions Club und übte in dieser Zeit verschiedene Clubämter aus. Von 1991 bis 2000 war er zudem Vorstandsvorsitzender des „Hilfswerk der Deutschen Lions e.V.“. In dieser Position war er im Auftrag des Governorrates 111 Deutschland für die zentrale Spendensammlung und die Durchführung des Projektes „Sight First – Rettet das Augenlicht“ verantwortlich. In enger Zusammenarbeit mit der Christoffel Blindenmission (CBM) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) realisierte Thomas Wegner eine Vielzahl internationaler Großprojekte. In dieser Zeit wurden beispielsweise mehr als 40 Augenkrankenhäuser, vornehmlich in Indien und Ost- und Westafrika, errichtet. In Deutschland war er zudem maßgeblich an der Gründung der Lions-Hornhautbanken an den Universitäten von Düsseldorf, Homburg/Saar, Würzburg und Hamburg beteiligt.

Herr Wegner, Sie sind seit mehr als 40 Jahren Mitglied der Lions. Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen?  

Mein Engagement bei den Lions kam durch persönliche Kontakte zuttande. Ich war damals Vertriebsdirektor in der Maschinenindustrie und mein Exportleiter, mit dem ich befreundet war, hat eines Tages einfach gefragt, ob ich nicht dazukommen möchte. Als erste Funktion war ich dann für die internationalen Beziehungen des Clubs zuständig. Nach zwei Jahren habe ich dann für ein Jahr die Präsidentschaft des LC-Bad-Orb Gelnhausen übernommen.

Wie kam es zu Ihrem besonderen Fokus auf die Hornhautspende?

Ich habe, stets mit der CBM, Krankenhäuser in den ärmsten Gebieten der Welt gebaut. Erst Prof. Dr. Rainer Sundmacher, damals Ordinarius für Ophthalmologie an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf, hat mir klar gemacht, dass Deutschland auf dem Gebiet der Hornhauttransplantation quasi ein Entwicklungsland ist. Es gab damals keine Banken, die in der Lage waren, die Hornhäute länger zu konservieren. Auch die Spendensituation war problematisch. Das lag unter anderem an der damaligen Gesetzgebung. Das strikte Arztgeheimnis verhinderte die Kommunikation zwischen Ärzten anderer Fakultäten über jeweilige Todesfälle. Dadurch kam es nur in seltenen Fällen zu den vorgeschriebenen Gesprächen mit den Angehörigen über die Entnahmezustimmung. Das hat sich erst geändert, nachdem wir in der Politik einiges an Aufklärungsarbeit geleistet hatten.

Wie genau hat sich das gestaltet?

Durch persönliche Verbindungen kam es zu einem intensiven Gespräch mit Dr. Helmut Kohl, dem damaligen Bundeskanzler. In einem einstündigen Gespräch konnte ich ihm die Problematik der Hornhauttransplantationen darlegen. Dr. Kohl war bestens vorbereitet durch das Gesundheitsministerium. Und auch ich war vorbereitet. Dr. Kohl bat mich dann um einen Brief, in dem ich zunächst den Ist-Zustand mit seiner Problematik beschreiben sollte, um dann Vorschläge für eine neue Gesetzgebung zu unterbreiten. Auf meine Bitte erhielt Herr Professor Sundmacher eine Einladung in die Gesetzgebungskommission. Dies erfolgte in enger Abstimmung mit Prof. Sundmacher. Dadurch konnten wir Widerstände abbauen im Kontext mit dem Arztgeheimnis. Das Gesetz wurde am Ende so reformiert, dass auch die Rechtsmedizin bei einer Obduktion von der Schweigepflicht entbunden wurde. Das war der Durchbruch.

Also war ein gutes Netzwerk in diesem Fall entscheidender als die finanziellen Mittel?

Ja, ein gutes Netzwerk hat bei jedem Projekt eine wichtige Rolle gespielt. Ich habe zum Beispiel in allen Ländern, in denen ein Projekt realisiert wurde, als erstes den dortigen deutschen Botschafter besucht; denn ich habe mir gesagt: Ich bin hier und gebe Steuergelder aus, die aus unserer Heimat, aus Deutschland, kommen. Da muss auf jeden Fall die jeweilige Botschaft informiert werden. In einigen Ländern kam es auch zum Gedankenaustausch mit dem einheimischen Gesundheitsminister.

Sie haben in 10 Jahren mehr als 60 soziale Großprojekte realisiert, darunter 40 Augenkrankenhäuser. Ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann.

Das war natürlich ein großer Zeitaufwand. Mir hat am Anfang vor allem meine Erfahrung aus meinem kaufmännischen Beruf im Exportbereich sehr geholfen, zum Beispiel im Umgang mit Ministerien. Das war sehr vorteilhaft, denn mit Ministerien zu verhandeln ist nicht immer leicht und birgt vor allem Risiken.  Ich habe mich damals bei meinem Amtsantritt gleich bei Herrn Dieter Spranger angemeldet, der damals Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war. Ich habe ihm meine Konzeption und meine Pläne vorgelegt. Der Minister war ein wenig skeptisch, ob die Lions diese Ziele realisieren könnten. Unsere Außendarstellung ist eben noch zu verbessern. Aber ich sagte nur: „Einspruch. Ich möchte genau das machen.“ Und am Ende haben wir unsere uns selbst gesetzten Ziele weit übertroffen, aber das ahnte ich damals natürlich noch nicht.

Welches Projekt haben Sie dann als erstes umgesetzt?

Das erste Konzept war für ein großes Augenhospital im Süden von Indien. 35 Grad im Schatten bei über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Da überlegt man sich jeden Schritt. Zunächst wurde dieses Konzept vom zuständigen Referat im Ministerium erst einmal abgelehnt. Ich hätte den wesentlichsten Punkt in der Antragsstellung unerwähnt gelassen, nämlich meine Projektbetreuungsreise. Auf meine Bemerkung, ob diese Reise unbedingt erforderlich sei hat der Referatsleiter mich am Telefon regelrecht gefaltet. Ich könnte doch nicht die Verantwortung für ein 650.000 DM teures Projekt von meinem Schreibtisch aus übernehmen. Schließlich waren es Steuergelder. Ich kenne weder die Leute in Indien, noch hätte ich Kenntnis von den politischen, gesellschaftlichen und vor allem von den religiösen Problemen des Landes. Ich sei als Repräsentant eines gemeinnützigen Vereins der allein verantwortliche Partner des Ministeriums. Ich war dann 10 Tage in Indien und kam total erschöpft mit einer schweren Magen-Darm-Infektion zurück. Aber ich hatte reichhaltige Erfahrungen gesammelt, die mir später bei ähnlichen Situationen halfen.

Dieses erste Projekt in Indien war gleichzeitig auch mein Schlüsselerlebnis: Wir sind mit dem Bus aufs Land zur Baustelle gefahren. Und als wir mit der landesüblichen Begrüßungsgeste aus dem Bus stiegen, fielen vor uns 800 Inder in den Staub und sagten auf Hindu „Danke“. Das vergisst man nie, ich brauche bloß die Augen zu schließen und sehe dieses Bild. Das gibt einem Motivation, Energie und Lebensinhalt und treibt an. Ich übernahm die Projektarbeit mit Anfang 60 und hörte erst mit 72 Jahren auf. Da sollte man eigentlich etwas ruhiger treten, aber wenn Sie etwas mit Begeisterung machen, wachsen ungeahnte Kräfte.

40 Jahre sind Sie jetzt mittlerweile dabei, davon zehn Jahre Vollzeit. Haben Sie in der Zeit auf irgendwas verzichten müssen?

Als ich nach acht Jahren das Bundesverdienstkreuz erhalten habe, habe ich in meiner Dankesrede gesagt, dass ich meinen Freundeskreis und meine Familie vernachlässigt habe. Und ich bat dafür um Entschuldigung. Aber diese Aufgabe hat mich einfach begeistert. Diese zehn Jahre waren die schönsten meines Lebens, weil die Aufgabe sehr gut zu meiner Mentalität und meinen Möglichkeiten passte. Und wenn man voll hinter einem Projekt steht, ganz egal, ob im Beruf, im Sport oder in der Gesellschaft, bewegt man auch etwas. Und natürlich macht es Spaß und gibt einem eine innere Zufriedenheit, etwas für andere bewegen zu können. Ich habe immer gesagt: Altruismus ohne eine dicke Portion Egoismus ist nicht denkbar.

Mit Ihrer Erfahrung aus all den Jahren: Was würden Sie heute jungen Leuten raten, die sich engagieren möchten?

Als Einzelkämpfer erreicht man leider nicht viel. Deshalb sollte man eine Organisation oder einen Kreis Gleichgesinnter finden, die den persönlichen Zielen entspricht und deren Thematik zu den inneren Bedürfnissen passt. Dabei ist zweitrangig, ob es sich um einen Blindenverein oder einen Fußballclub handelt. Überall, wo Menschen zueinander finden, kann gesellschaftlich-sozial etwas bewegt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview und Foto: Fabienne Fahrenholtz und Ilja Emrich, redRobin